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PERICLES

Policy Recommendations and Improved Communication Tools for Law Enforcement and Security Agencies Preventing Violent Radicalisation

Das von der EU geförderte Projekt untersuchte die aktuelle Präventionspraxis im Bereich Radikalisierung im europäischen Vergleich und entwickelte Maßnahmen, Instrumente und Empfehlungen, um die Präventionsarbeit zu optimieren. Die Nützlichkeit und Wirkung der Instrumente werden in den in den kommenden Jahren untersucht.

Projektförderung

  • Mittelgeber

    Europäische Kommission
  • Fördersumme

    75.000 €
  • Laufzeit

    01.09.2019 - 31.08.2020

Hintergrund  und Ziele

Zwischen 2014 und 2018 gab es in Deutschland 171 terroristische Anschläge mit 26 Toten und 190 Verletzten. Aufgrund dieser Zahlen ist es verständlich, dass das Thema Radikalisierung in den letzten Jahren einen erheblichen Boom in der sozialwissenschaftlichen Forschung erlebt hat. In jüngster Zeit hat sich das wissenschaftliche Interesse vor allem auf die Bedeutung extremistischer Propaganda im Internet und die Bedeutung der sozialen Medien konzentriert.

Zwischen 2017 und 2020 förderte die Europäische Kommission das Forschungsnetzwerk Policy Recommendations and Improved Communication Tools for Law Enforcement and Security Agencies Preventing Violent Radicalisation (PERICLES). Das Netzwerk mit 16 Vollpartnern aus acht Ländern untersuchte die aktuelle Praxis in der Prävention von gewalttätiger Radikalisierung im europäischen Vergleich und entwickelte Maßnahmen und Empfehlungen zur Optimierung der Präventionsarbeit. Koordiniert wurde das Netzwerk zunächst vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen und später vom Lehrstuhl für Sicherheitsmanagement der Hochschule Bremerhaven.
 

Pericles Tool-Suite

Das Forschungsnetzwerk hat außerdem vier Instrumente für eine gezielte Präventionsarbeit entwickelt, deren Nutzen und Wirkung in den kommenden Jahren untersucht werden soll. Die Software ModeRad ermöglicht es, Hassreden bei Twitter zu erkennen. Das Multi Agency Vulnerability Assessment Tool erhöht die Bewertung der Anfälligkeit für Radikalisierung. Das Family Information Portal bietet Informationen und Beratung für Angehörige von radikalisierten Personen. Dabei wird der soziale Nahraum als zentraler Ansatzpunkt für die Präventions- und Reintegrationsarbeit angesprochen. Schließlich bietet das Skills and Competencies Training ein Handbuch für die praktische Präventionsarbeit.

 

Projektstruktur

Das Projekt war in acht Arbeitspakete unterteilt. Im ersten Arbeitspaket wurde eine Bestandsaufnahme der bestehenden Maßnahmen und Präventionsprogramme zur Bekämpfung der Radikalisierung in ausgewählten europäischen Ländern durchgeführt. Arbeitspaket zwei führte eine Bedarfsanalyse durch, um die Bedürfnisse der Strafverfolgungsbehörden im Zusammenhang mit der Radikalisierungsbekämpfung zu ermitteln. In Arbeitspaket drei wurde die Interaktion zwischen den Akteuren der Radikalisierungsbekämpfung modelliert. In Arbeitspaket vier wurden fünf Präventionsinstrumente entwickelt, die auf spezielle Aspekte der Radikalisierungsbekämpfung abzielen. Arbeitspaket fünf diente der Validierung der fünf PERICLES-Instrumente. Im sechsten Arbeitspaket wurde die Aufsicht über Ethik, Recht und Sicherheit übernommen. Arbeitspaket sieben umfasste Kommunikations- und Verbreitungsaktivitäten. Die Koordinierung des Netzes war Aufgabe von Arbeitspaket acht.
 

Auszug aus den Ergebnissen:  Geringfügiger Terrorismus und psychische Erkrankungen

Eine Auswertung von Anschlägen in Deutschland hat gezeigt, dass sich der Modus Operandi von religiös motivierten Anschlägen verändert hat. Während in der Vergangenheit solche Anschläge oft aufwendig geplant und vorbereitet wurden, sind seit 2014 die meisten Anschläge dem sogenannten Low-Level-Terrorismus zuzurechnen. Sicherheitsorganisationen haben Probleme, diese Art von Anschlägen zu verhindern, da die Einzeltäter oft erst kurz vor dem Anschlag Kontakt zu extremistischen Netzwerken aufnehmen und Äxte, Messer oder Fahrzeuge verwenden. Die Verfügbarkeit solcher Geräte lässt sich kaum einschränken. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass die Täter (in der Langzeitbetrachtung) jünger werden. Während das Durchschnittsalter im Jahr 2002 nach der Zählung von Marc Sageman bei 26 Jahren lag, beträgt es jetzt etwa 20 Jahre. Zudem mehren sich die Anzeichen, dass psychische Erkrankungen verstärkt in die Präventionsarbeit einbezogen werden sollten. Der Anschlag auf der A100 in Berlin im August 2020 bestätigt diese Einschätzung einmal mehr.

Auszug aus den Ergebnissen:  Fehlende wissenschaftliche Bewertung im Bereich der Prävention

Eine Evaluierung von Präventionsprojekten und -programmen in europäischen Ländern hat gezeigt, dass viele Initiativen zur Verhinderung von Radikalisierung als Reaktion auf Anschläge ins Leben gerufen wurden, ohne dass es dafür eine wissenschaftliche Grundlage gab. Dementsprechend zeigen viele (aber nicht alle) Initiativen keine nachweisbare Wirkung. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die gegen Radikalisierungsprozesse gerichtete Prävention zum Geschäft von Beratern, Coaches und anderen unabhängigen Akteuren geworden ist, die auch wirtschaftliche Interessen verfolgen (müssen). Nur bei wenigen Projekten und Programmen konnte eine wissenschaftliche Evaluation gefunden werden. Dies ist besorgniserregend, denn wie aus der Kriminalprävention bekannt, lassen sich die Wirkungen der Präventionsarbeit (so gut sie auch gemeint sein mag) ohne Evaluation nicht abschätzen und könnten sogar negative Folgen haben. Darüber hinaus deutet das Fehlen einer Evaluation darauf hin, dass die (meist öffentlichen) Mittel zur Förderung solcher Initiativen nicht effizient eingesetzt werden.
 

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