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01.09.2022

Mehlwürmer achten auf ausgewogene Ernährung

Forschung

Hochschulprojekt testet Futtermittel in der industriellen Insektenaufzucht

Essbare Insekten können einen wichtigen Beitrag zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung leisten. Sie sind nicht nur klimafreundlicher als Fleisch von Rindern, Schweinen und Geflügel, sondern lassen sich auch fast vollständig verwerten. In Tierfutter könnten sie zu einem geringeren Einsatz von Soja oder Fischmehl führen. Allerdings ist die industrielle Aufzucht noch recht teuer. Eine wichtige Frage: Lässt sich die Fütterung der Insekten optimieren und so ihr Nährwert beeinflussen? Im Forschungsprojekt „Aufbereitung von Insekten durch NIR-Expertensystem“ wurde kürzlich überprüft, wie sich Mehlwürmer ernähren würden, wenn sie selbst entscheiden dürfen. Dafür haben die Forschenden der Hochschule Bremerhaven unter der Leitung von Prof. Dr. Rainer Benning ein Büffet für die Insekten aufgebaut. Aus insgesamt 25 verschiedenen Nährsubstraten konnten sie wählen. Das Ergebnis: Die Mehlwürmer achten bei ihrer Futterwahl auf das für sie optimale Nährstoffverhältnis. Das wirkt sich auch auf ihren eigenen Proteingehalt aus.

Verschiedene Mehlsorten, Bierhefe und Getreideflocken sowie Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie, beispielsweise Trester, wurden den Mehlwürmern zur Auswahl gegeben. Die Forschenden wählten in mehreren Durchgängen aus den 25 Nährsubstraten jeweils acht aus. Dabei wurde darauf geachtet, dass genügend Ballaststoffe, Fette, Proteine und Kohlenhydrate für die Mehlwürmer zur Verfügung standen. Zwei Wochen lang konnten sie sich auf diese Weise ernähren und wurden anschließend gemessen und gewogen. Das Ergebnis: Die Insekten wählten die Substrate aus, die für ihr Wachstum besonders förderlich waren. Welche das waren, veränderte sich mit dem Alter. „Untersucht haben wir Mehlwürmer im Alter von sechs, acht und zehn Wochen. Dabei konnten wir feststellen, dass die Jüngeren mehr Kohlenhydrate zu sich nahmen als die Älteren. Dafür stieg mit dem Alter die Aufnahme von Proteinen und Fetten. Wir vermuten, dass sich die Insekten damit auf ihre Metamorphose vorbereiten, für die sie sehr viel Energie benötigen“, erklärt Projektmitarbeiterin Nina Kröncke. Da zu den beliebten Nährsubstraten auch Nebenprodukte gehörten, die sonst im Müll landen würden, ist die Ernährung der Mehlwürmer auch umweltfreundlich und nachhaltig möglich.

Die Forschungsergebnisse zeigen aber nicht nur, dass Mehlwürmer sich ausgewogen ernähren, wenn man es ihnen ermöglicht. Vielmehr lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Nährstoffgehalt in den Substraten und dem Proteingehalt der Mehlwürmer feststellen. „Die Tiere, die mehr Proteine zu sich genommen haben, hatten bei der Analyse auch selbst einen höheren Proteingehalt. Das würde bedeuten, dass man mit der Fütterung die Zusammensetzung der Insekten beeinflussen kann. Für die Futtermittelindustrie ist dies eine interessante Erkenntnis“, so Kröncke. Denn: Kann der Nährstoffgehalt der Insekten durch die Fütterung beeinflusst werden, so könnte bei der Herstellung von Hunde- oder Katzenfutter auf Insektenbasis auf entsprechende Zusätze verzichtet werden. „Ein hoher Proteingehalt in den Mehlwürmern macht diese zu einer interessanten alternativen Proteinquelle.“

Das Projekt „Aufbereitung von Insekten durch NIR-Expertensystem“ ist ein Verbundprojekt der Hochschule Bremerhaven, des Forschungsinstituts Futtermitteltechnik der Internationalen Forschungsgemeinschaft Futtermitteltechnik e.V. (IFF), Braunschweig, und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ziel ist der Aufbau und die Weiterentwicklung eines innovativen Funktionsmusters zur automatischen Insektenaufzucht. Auf diese Weise soll nicht nur zukünftig Soja als Proteinträger in Tierfutter ersetzt und somit eine nachhaltige Alternative zu bisherigem Futtermittel geschaffen werden, sondern auch durch eine angepasste Fütterung Futtermittel mit definierten Eigenschaften erzeugt werden. Finanziert wird das Projekt durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AIF) mit dem Programm zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

Die vollständigen Versuchsergebnisse wurden unter dem Titel „Self-Selection of Feeding Substrates by Tenebrio molitor Larvae of Different Ages to Determine Optimal Macronutrient Intake and the Influence on Larval Growth and Protein Content“ veröffentlicht und sind online abrufbar.

Redakteur:in